Der Wohnvorteil

  • 28. Januar 2025
  • Thomas Klein

Im Hinblick auf meinen letzten Vortrag zu familienrechtlichen Problemen meine aktuellen Ausführungen zum Wohnvorteil.

Der Wohnvorteil (Wohnwert)

Bei der Berechnung von Unterhaltsansprüchen spielt der sog. Wohnvorteil oder auch Wohnwert genannt immer wieder eine Rolle.

Zu Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens des Unterhaltsschuldners muss nach allen Unterhaltsleitlinien der deutschen Oberlandesgerichte, aber auch der ständigen Rechtsprechung der Gerichte, als Einkommensbestandteil der Wohnvorteil berücksichtigt werden, und zwar einkommenserhöhung.

Die aktuellen Unterhaltsleitlinien der Familiensenate NRW sehen hierzu in Ziff. 5 folgendes vor:

 

(1) Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Haus oder in der Eigentumswohnung ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens wie Einkommen zu behandeln.


(2) Auszugehen ist von der erzielbaren Miete (objektiver oder voller Wohnwert).
Wenn es nicht möglich oder zumutbar ist, die Wohnung aufzugeben und das Objekt zu vermieten oder zu veräußern, kann stattdessen die ersparte Miete angesetzt werden, die angesichts der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre (subjektiver oder angemessener Wohnwert).

Beim Ehegattenunterhalt kommt dies insbesondere für die Zeit bis zur endgültigen Vermögensauseinandersetzung oder bis zum endgültigen Scheitern der Ehe, etwa bei Zustellung des Scheidungsantrags, in Betracht, wenn ein Ehegatte das
Eigenheim allein bewohnt. Bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt ist stets auf den subjektiven (angemessenen) Wohnwert abzustellen.


(3) Ein Wohnvorteil liegt nur vor, soweit der Wohnwert den berücksichtigungsfähigen Schuldendienst, erforderliche Instandhaltungskosten sowie nicht umlagefähige Kosten i.S.v. §§ 556 Abs. 1 BGB, 1 Abs. 2 BetrKV übersteigt

(4) Finanzierungslasten mindern den Wohnwert, soweit sie tatsächlich durch
Ratenzahlungen bedient werden. Neben Zinszahlungen sind Tilgungsleistungen in der Regel bis zur Höhe des Wohnwerts abzuziehen. Der Abzug darüberhinausgehender Tilgungsleistungen kommt nach den Umständen des Einzelfalls in Betracht. Es ist zu berücksichtigen, ob eine Streckung oder Aussetzung
der Tilgung möglich und zumutbar ist und ob eine Obliegenheit zur Vermögensumschichtung durch Veräußerung der Immobilie besteht.


(5) Beim Ehegattenunterhalt richtet sich die Abzugsfähigkeit den Wohnwert übersteigender Tilgungsleistungen insbesondere danach, ob Miteigentum an der Immobilie besteht oder ob einseitige Vermögensbildung betrieben wird.


(6) Beim Kindesunterhalt gilt für die Berücksichtigung der Finanzierungslasten im Rahmen des § 1603 Abs. 1 BGB ein großzügigerer, im Anwendungsbereich des § 1603 Abs. 2 BGB hingegen ein strengerer Maßstab.


(7) Ein den Wohnvorteil übersteigender Tilgungsanteil kann im Rahmen der sekundären Altersvorsorge zu berücksichtigen sein.

 

Aber was bedeutet dies praktisch?

1. nachehelicher Unterhalt

Beispiel:

Angenommen, der Unterhaltspflichtige wohnt in einem ihm gehörenden Haus mit einer Wohnfläche von 100 qm2. Der ortsübliche Mietzins vor Ort beträgt nach dem Mietspiegel 8 Euro. Die verbrauchsunabhängigen Kosten der Immobilie (Grundsteuer, Versicherungen pp.) liegen bei umgerechnet monatlich 100 Euro. Die Immobilie ist nicht mehr kreditfinanziert.

Im Ansatz entspricht der Wohnwert der objektiven Marktmiete ohne Mietnebenkosten, dh der sogenannten Kaltmiete für eine nach Ortslage, Größe, Beschaffenheit, Zuschnitt der vergleichbaren Wohnung. Dies gilt jedenfalls für den nachehelichen Unterhalt, aber auch schon dann, wenn ein Ehepartner den Ehescheidungsantrag beim Familiengericht eingereicht hat.

Verbrauchsunabhängige Nebenkosten kürzten nach Auffassung des BGH den mit dem Grundeigentum verbundenen Wohnwert (BGH Urteil vom 5. 4. 2000 - XII ZR 96/98).

Dies führt dann zu folgender grober Berechnung:

100 qm2 x 8 Euro = 800 Euro - 100 Euro "Nebenkosten" = 700 Euro

Dieser Betrag, also 700 Euro, werden dem Unterhaltspflichtigen als monatliches Einkommen hinzugerechnet, obwohl er diesen Betrag real nicht im Geldbeutel hat.

2.  Trennungsunterhalt 

Beim Trennungsunterhalt wird nur mit dem angemessenen Wohnwert gerechnet. Da im Trennungsjahr noch die Möglichkeit besteht, dass die Ehegatten wieder zusammenfinden, wird demjenigen, der eine eigene Immobilie nutzt oder aber im gemeinsamen Haus verblieben ist, nur ein Betrag zugerechnet, der von dem nutzenden Ehegatten für eine angemietete Wohnung aufgewendet würde.

In der Praxis bieten hier als Orientierungshilfe für die Berechnung dieses angemessenen (subjektiven) Wohnvorteils entweder die Kosten, die der ausgezogene Ehegatte für seine Wohnung zahlen muss oder aber die objektive Marktmiete wird um 1/3 gekürzt.

In der Praxis führt dies in der Regel zur Zurechnung von Beträgen -je nachdem, in welcher Region der Unterhaltsfall sich abspielt- von 400 bis 600 Euro.

In Großstädten, in denen die Wohnkosten sehr hoch sind, ist in der unterhaltsrechtlichen Praxis nicht zuletzt angesichts steigender Mieten zu beobachten, dass hier die Gerichte beim angemessenen Wohnwert schon Beträge von 1500 Euro ansetzen und bei der objektiven Marktmiete Beträge von 2500 bis 3000 Euro -je nach Größe der Wohnung/Haus keine Seltenheit mehr sind.

Dies führt dann in der Praxis -da dieser zugerechnete Betrag sich nicht im Geldbeutel befindet- zu dem Problem, dass der berechnete Unterhalt ggf. gar nicht mehr gezahlt werden kann und eine anderweitige Nutzung oder Verwertung der Immobilie zur Folge hat.