Abgasskandal.....Ansprüche gegen den Hersteller
- 21. Januar 2018
- Thomas Klein
Der sog. Abgasskandal wird zum großen Problem für betroffene Verbraucher. Sie könnten am Ende die sein, die die Zeche zahlen müssen, es sei denn, sie handeln jetzt gegen den Hersteller. Die Justiz zahlt hierzu aktuell folgendes:
Abgasskandal...und die Hersteller
Aus einer aktuellen Gerichtsentscheidung:
Ansprüche des Verbrauchers gegen den Pkw-Hersteller
...Der Kläger (=der Autokäufer) kann von der Beklagten zu 2) (=Hersteller des Pkw) Schadensersatz aus den §§ 823 II BGB, 263 I StGB verlangen. § 263 StGB ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB (Palandt/Sprau, aaO, § 823 Rdnr. 70). Die Beklagte zu 2) hat den Kläger darüber getäuscht, dass das Fahrzeug auf dem Prüfstand eine bestimmte Menge Stickoxide ausstößt, die zu einer EG-Typengenehmigung und einer bestimmten Schadstoffklasseneinstufung geführt haben, obwohl das Prüfungsverfahren mit Hilfe der Motorsteuerungssoftware manipuliert gewesen ist. Damit hat sie weiterhin darüber getäuscht, dass ihr in den Geschäftsverkehr gebrachtes Fahrzeug über rechtmäßig erlangte Bescheinigungen i.S.v. §§ 6 I, 27 I EG-FGV verfügt.
Die von der Beklagten zu 2) für den Motorentyp … eingesetzte Steuerungssoftware ist gesetzwidrig. Weil die Software in der Lage ist, das Prüfverfahren NEFZ zu erkennen, um dann in einen Modus zu schalten, der dafür sorgt, dass mehr schädliche Abgase, insbesondere Stickoxide, in den Motor zurückgeführt werden, als dies im Normalbetrieb der Fall ist, hat die Beklagte zu 2) manipulativ auf die Prüfstandsabgasmessung zur Typengenehmigung und Schadstoffklasseneinstufung Einfluss genommen. Insoweit spielt es keine Rolle, ob tatsächlich eine Einwirkung auf das Emissionskontrollsystem stattfindet oder aber lediglich ein innermotorischer Vorgang in Gang gesetzt wird. In dieser Manipulation liegt ein Verstoß gegen das Verbot von Inverkehrgabe und Handel ohne gültige Bescheinigung in § 27 I EG-FGV und zum anderen gegen die Pflicht zur Erteilung einer gültigen Bescheinigung gemäß § 6 I EG-FGV.
Es kommt nicht darauf an, ob das Fahrzeug formell der EG-Typengenehmigung entspricht, die weder nichtig noch erloschen noch durch die Behörden widerrufen worden sei. Die Beklagte zu 2) hat bei der zur Typengenehmigung und Schadstoffklasseneinstufung erforderlichen Prüfstandmessung manipuliert. Die zuständigen Behörden hätten das Fahrzeug bei Kenntnis von der manipulierenden Motorsteuerungssoftware bzw. ohne diese entweder nicht zugelassen oder jedenfalls anders eingestuft. In der vorliegenden Form hätte das Fahrzeug jedenfalls mangels gültiger Bescheinigung nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen. Dass der Beklagten zu 2) die Bescheinigungen letztlich nicht zustehen, folgt schon aus dem Umstand, dass das KBA ihr auferlegt hat, den Motortyp nachzubessern, und Nebenbestimmungen i.S.v. § 25 II EG-FGV angeordnet hat, um die Vorschriftsmäßigkeit in diesem Sinne zu gewährleisten. Nicht nachvollziehbar ist der Vortrag, die Motorsteuerungssoftware habe keinen Einfluss auf das EG-Typengenehmigungsverfahren und die Schadstoffklasseneinstufung und damit auf die Zulassungsfähigkeit/Betriebserlaubnis des Fahrzeugs. In diesem Fall stellt sich die Frage, weshalb die Beklagte zu 2) die Software überhaupt verwendet hat.
Der Kläger ist aufgrund der vorgenannten Täuschung einem Irrtum erlegen, der kausal für den nachteiligen Kaufvertragsschluss als Vermögensverfügung gewesen ist. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung ist anzunehmen, wenn der Getäuschte Umstände darlegt, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten und nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung gehabt haben können (BGH, NJW 1995/2361/2361). Mit dem Einsatz der gesetzwidrigen Motorsteuerungssoftware hat die Beklagte zu 2) manipulierend auf seine Kaufentscheidung eingewirkt, da er angenommen hat und annehmen durfte, das Fahrzeuge habe die EG-Genehmigungsverfahren ordnungsgemäß durchlaufen und verfüge dementsprechend über einen bestimmten Abgasausstoß auf dem Prüfstand. Dabei reicht das sachgedankliche Mitbewusstsein, mit dem Fahrzeug sei alles rechtens bzw. in Ordnung.
Die Emissionen eines Fahrzeugs und dessen Umweltverträglichkeit spielen in der heutigen Zeit bei der Kaufentscheidung eine erhebliche Rolle. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der EG-Verordnungsgeber die Hersteller zur Angabe der entsprechenden Werte verpflichtet, auch wenn jeder weiß, dass es sich wie bei den Verbrauchswerten um theoretische Prüfstandswerte handelt, die im Normalbetrieb nicht zu realisieren sind. Der Schadstoffausstoß ist schließlich auch der relevante Faktor für die Zuordnung zu einer bestimmten Schadstoffklasse, die wiederum maßgeblich für die steuerliche Belastung ist. Dem Kläger ist durch den Erwerb des Fahrzeugs auch ein Vermögensnachteil entstanden. Bei einem Betrug durch Abschluss eines Vertrages ergibt ein Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Vertragsschluss, ob ein Vermögensschaden eingetreten ist. Hierbei kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Kläger das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er gewusst hätte, dass das Fahrzeug mit einer Motorsteuerungssoftware ausgestattet ist, welche die Abgaswerte auf dem Prüfstand manipuliert. Mit dem Kaufvertragsschluss hat der Kläger ein mangelhaftes Fahrzeug erworben und somit ein für ihn wirtschaftlich nachteiliges Geschäft abgeschlossen.
Die Fahrzeughersteller lassen sich die komplexe und entsprechend teure Technik zur Schadstoffreduzierung entsprechend bezahlen, so dass davon auszugehen ist, dass der Kläger in der Annahme, er kaufe ein Fahrzeug, das aufgrund seiner technischen Ausstattung gewissen Abgasgrenzen auf dem Prüfstand entspreche, einen wirtschaftlichen Nachteil erlitten hat. Der Kläger hat kein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug erworben. Dies zeigt sich allein schon darin, dass das Fahrzeug mit einer anderen Motorsteuerungssoftware nachzurüsten ist, auch wenn der finanzielle Aufwand dafür evtl. nicht allzu hoch ist. Die Stoffgleichheit zwischen dem dargestellten Vermögensschaden und dem angestrebten Vermögensvorteil ist gegeben.
Durch den für den Kläger negativen Kaufvertragsschluss hat die Beklagte zu 2) ihren Fahrzeugabsatz gesteigert. Selbst wenn der Vorteil nur bei dem Vertragshändler eingetreten wäre, so stünde dies der Annahme der Stoffgleichheit nicht entgegen, da es sich in diesem Fall um einen fremdnützigen Betrug handeln würde. Die deliktischen Handlungen sind der Beklagten zu 2) über § 31 BGB zuzurechnen. Der Kläger hat nachvollziehbar vorgetragen, dass der Vorstand oder jedenfalls Teile des Vorstands Kenntnis von der manipulierenden Motorsteuerungssoftware, die zu gesetzwidrigen EG-Bescheinigungen geführt hat, gehabt haben. Dieser Vortrag ist auch naheliegend. Der Vorstand hat das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen gemäß zu organisieren und zu führen. In diesem Zusammenhang muss davon ausgegangen werden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand im Hinblick auf alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch entsprechende Kontrollmaßnahmen gewährleistet ist. Insoweit liegt es nahe, dass dem Vorstand oder Teilen des Vorstandes die manipulierende Funktion der Motorsteuerung zur Verwendung auf dem NEFZ-Prüfstand zur Erreichung der EG-Typengenehmigung sowie das Inverkehrbringen eines gesetzeswidrigen Fahrzeuges bekannt gewesen sind. Dies auch deshalb, weil die Beeinflussung der Motorsteuersoftware einer ganzen Motorenreihe für eine Vielzahl von Fahrzeugen hinsichtlich ihres Entwicklungsaufwandes in technischer und finanzieller Hinsicht eine wesentliche vom Vorstand zu treffende Entscheidung darstellt und die Verwendung einer solchen Software sämtliche Konzerntöchter europaweit betrifft. Zu all diesen internen Vorgängen kann der Kläger als Käufer eines manipulierten Fahrzeugs naturgemäß nicht substantiiert vortragen, so dass die Beklagte zu 2) eine sekundäre Darlegungslast dahingehend trifft, zu den internen Vorgängen im Zusammenhang mit der manipulierten Motorsteuerungssoftware vorzutragen.
Eine sekundäre Darlegungslast besteht dann, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die beweisbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Gegner zumutbar nähere Angaben machen kann (BGHZ 140/156/158f). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger kann nicht – wie oben ausgeführt – näher dazu vortragen, in welcher Organisationseinheit der Beklagten zu 2) die Motorsteuerungssoftware entwickelt, verwendet, verbaut worden ist, wer die Entscheidung dazu getroffen und wie die Entscheidung wann weiterkommuniziert worden ist. Dagegen ist die Beklagte zu 2) allein aus Compliance-Gesichtspunkten dazu verpflichtet, entsprechende Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen. Dem entsprechend trägt sie auch vor, dass sie die Entstehung der zum Einsatz kommenden Software umfassend aufklären lässt.
Mit Blick darauf, dass diese interne Ermittlungsmaßnahme bereits seit geraumer Zeit andauert, ist es der Beklagten zu 2) ohne weiteres zumutbar, ihre bisherigen Ermittlungsergebnisse mitzuteilen. Indem sie das nicht tut, verstößt sie gegen ihre sekundäre Darlegungslast. Wegen des bewussten Inverkehrbringens der gesetzwidrig ausgestatteten Fahrzeuge ist auch von einem entsprechenden Schädigungsvorsatz und einer Bereicherungsabsicht auszugehen. Der Vorstand der Beklagten zu 2) hat eine Schädigung der Vermögensinteressen der Käufer zumindest billigend in Kauf genommen. Bei der Verwendung der Manipulationssoftware kam es ihm darauf an, Umsatz und Gewinn zu steigern. Andere Gründe sind nicht ersichtlich. Die Manipulation der Abgaswerte durch Einsatz der Motorsteuerungssoftware stellt überdies eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung des Klägers nach § 826 BGB dar. Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. In die Beurteilung ist einzubeziehen, ob das Verhalten nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich machen (BGH, NJW 2014/1098/1099; NJW-RR 2013/550).
Für die Annahme der Sittenwidrigkeit genügen weder der Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift noch die Tatsache eines eingetretenen Vermögensschadens; vielmehr muss sich die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben (BGH, NJW 2012/1800/1803).
Diese Voraussetzungen liegen vor.
Die Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten zu 2) ergibt sich vorliegend aus der Zweck-Mittel-Relation, der hierbei zu Tage tretenden Geschäftsmoral und dem Ausmaß des schädigenden Verhaltens. Bei der Verwendung der Manipulationssoftware kam es der Beklagten zu 2) darauf an, ihren Umsatz und Gewinn auf Kosten ihrer Kundschaft zu steigern. Andere Gründe sind nicht zu erkennen. Für sich betrachtet ist dieses Ziel im Rahmen eines marktwirtschaftlichen Systems nicht zu beanstanden. Zu beanstanden ist jedoch, dass es durch ein gesetzwidriges Verhalten auf Kosten der Allgemeinheit – nämlich den heutigen Umweltschutzinteressen der Allgemeinheit – und auf Kosten der Käufer erreicht werden soll. Der Einsatz einer derartigen Manipulationssoftware zur Erreichung der Gewinnmaximierung ist verwerflich i.S.v. § 826 BGB, insbesondere wenn man das Ausmaß der Manipulation hinzunimmt. Denn der Motortyp ist im gesamten W1-Konzern europaweit zum Einsatz gekommen....