Erben im Ausland
- 18. Januar 2018
- Thomas Klein
Gerade in grenznahen Bereichen sind Erbfälle im Ausland nicht selten. Was ist hier eigentlich zu beachten?
Erben im Ausland
Seit 2015 gibt es eine EU-Erbrechtsverordnung, die auch für Deutschland gilt.
Was regelt sie?
Für alle Vermögensgegenstände gilt ein einheitliches Erbrecht, gleichgültig, in welchem EU-Land sich der jeweilige Nachlassgegenstand befindet.
Die Regelungen gelten für Erbschaften in EU-Europa. Geregelt wird auch das Verhältnis zum Nicht-EU-Land Schweiz. Vorerst nicht dabei ist Dänemark, das Vereinigte Königreich und Irland.
Von der EU-Erbrechtsverordnung betroffen sind Erblasser, die in einem EU-Mitgliedsstaat wohnen und nicht dessen Staatsangehörigkeit besitzen oder die über Vermögen im EU-Ausland verfügen.
Wer seinen Lebensabend im Ausland verbringt, vererbt nach der europäischen Verordnung seit dem 17.8.15 nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts. Bisher galt für deutsche Staatsangehörige grundsätzlich deutsches Erbrecht, egal, wo sie zuletzt gewohnt haben.
Wer seinen Nachlass nach dem Recht des Heimatstaates vererben will, muss eine ausdrückliche Rechtswahl im Testament oder Erbvertrag treffen.
Was ist hierbei entscheidend?
Nach der neuen Verordnung gilt das Erbrecht des Landes, in dem der Verstorbene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 21 Abs. 1 EU-Verordnung 650/2012). Entscheidend ist, ob der Erblasser sich nicht nur vorübergehend in einem Land aufgehalten hat, z. B. wegen einer längeren Urlaubsreise. Nicht nur vorübergehend bedeutet: Der Aufenthalt ist stets und von Beginn an für mehr als sechs Monate beabsichtigt. Kleinere Unterbrechungen sind dabei nicht von Bedeutung. Der gewöhnliche Aufenthalt kann daher bereits mit dem Umzug an einen anderen Ort wechseln.
Bisweilen ist es nicht leicht zu entscheiden, wo tatsächlich der letzte gewöhnliche Aufenthalt ist, insbesondere, wenn jemand ein halbes Jahr in Deutschland und das andere halbe Jahr in einem anderen Land verbringt und enge soziale, familiäre und berufliche Bindungen zu beiden Ländern hat. Jeder Einzelfall kann anders beurteilt werden, da es auf eine Gesamtschau ankommt.
Wie wirkt sich die Verordnung konkret aus?
Verbringt ein deutscher Staatsangehöriger seinen Lebensabend im Ausland, gilt für den Erbfall nicht mehr deutsches Recht. Es greift vielmehr das Recht des Landes, in dem er zuletzt gewohnt hat. Das kann zu Schwierigkeiten führen. Ausländische Regelungen zur gesetzlichen Erbfolge können nämlich erheblich von der deutschen Erbfolge abweichen.
Hat etwa ein deutscher Erblasser gemeinsam mit seiner Frau ein Berliner Testament aufgesetzt, erkennen die Behörden z. B. in Spanien dieses nicht an. Die mit einem derartigen Testament bezweckte Bindung des jeweils überlebenden Ehegatten könnte wirkungslos werden.
Auch das deutsche Pflichtteilsrecht ist eine Besonderheit. Ganz enterben kann man seine Nachkommen in Deutschland fast nicht. Pflichtteilsberechtigte haben einen Anspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Wenn ein deutscher Rentner aber seinen Lebensabend in einem Land verbringt, in dem es das Recht auf den Pflichtteil nicht gibt und er verstirbt, gilt nach der EU-Verordnung das Erbrecht des Landes, in dem er zuletzt gewohnt hat. Das hieße, dass etwa seine Kinder kein Recht auf einen Pflichtteil hätten, falls der Verstorbene jemand anders in seinem Testament als Alleinerbe eingesetzt hat.
Wer länger im Ausland lebt, sollte sich daher über Vor- und Nachteile des jeweils geltenden Erbrechts beraten lassen.
Sollte man das Recht für den Erbfall auswählen?
Wer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat und dennoch möchte, dass das Erbrecht entsprechend seiner Staatsangehörigkeit gilt, darf dies durch eine Rechtswahl bestimmen. Das ist hierzulande möglich mittels einer „Verfügung von Todes wegen“ – also in einem Testament oder Erbvertrag. Darin kann der Verfasser festlegen, dass in jedem Fall deutsches Erbrecht gelten soll – dann allerdings für den gesamten Nachlass und nicht etwa nur für im Vermögen vorhandene Immobilien.
Der Erblasser kann jedoch nicht bestimmen, dass das Recht eines Staates angewandt wird, dem er nicht angehört. So darf etwa ein auf Mallorca lebender Deutscher nicht verfügen, dass italienisches Recht gelten soll.
Eine weitere wesentliche Neuerung ist ein Europäisches Nachlasszeugnis.
Dieses soll länderübergreifend vor allem im Rechtsverkehr den Nachweis darüber erleichtern, wer welche Erbansprüche hat (die sogenannte Erbenstellung). In Deutschland gibt es als Nachweis den Erbschein, doch der wurde in einem anderen Land bislang nicht unbedingt anerkannt. Der Zugriff auf ausländische Bankguthaben oder die Übereignung dortiger Immobilien soll sich mit dem Nachlasszeugnis leichter gestalten. Insbesondere werden damit zeitraubende und teure Anträge auf Erbscheine in allen Ländern, in denen der Erblasser Vermögen hinterlassen hat, überflüssig.