Haftung des Arbeitnehmers
- 11. Oktober 2017
- Thomas Klein
Arbeitnehmerhaftung. Ein Problem mit teilweise existenzgefährdenden Folgen. Aber wann haftet ein Arbeitnehmer überhaupt für Schäden? Ein Überblick...
Arbeitnehmerhaftung
Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte sich jüngst mit folgendem Fall zu beschäftigen:
Ein Auszubildender in einer Kfz-Werkstatt war mit dem Auswuchten von Autoreifen beschäftigt. Der zum damaligen Zeitpunkt 18-jährige klagende Mitarbeiter, ebenfalls Auszubildender, stand etwa 10 m weiter weg. Der Beklagte warf ohne Vorwarnung ein etwa 10 g schweres Wuchtgewicht aus Aluminium in Richtung des Kollegen und traf ihn am linken Auge, am Augenlid und an der linken Schläfe. Er trug eine Hornhautverletzung und eine Oberlidrandverletzung davon. Er wurde mehrfach operiert. Ihm wurde eine künstliche Augenlinse eingesetzt. Wegen der verbliebenen Hornhautnarbe leidet der Kläger an einer dauerhaften Sehverschlechterung und dem Verlust des räumlichen Sehvermögens.
Der verletzte Azubi verlangte von seinem Kollegen Schmerzensgeld und die Feststellung in Anspruch genommen, dass dieser auch zukünftig jeden Schaden aus dem schädigenden Ereignis ersetzen muss.
Das Hessische Landesarbeitsgericht hat der Klage insoweit stattgegeben und den Beklagten zu einem Schmerzensgeld von 25.000 € verurteilt.
Nach der Überzeugung der Richter hat der Beklagte den Kläger fahrlässig an dessen Gesundheit geschädigt. Der „Täter“ hätte wissen können und müssen, dass ein kraftvoller Wurf mit einem Wuchtgewicht eine solche Verletzung hervorrufen kann. Er sei auch nicht von seiner Haftung befreit gewesen, weil es sich bei dem Wurf gerade nicht um eine betriebliche Tätigkeit im Rechtssinne gehandelt habe, bei der für Personenschäden nur für Vorsatz, nicht aber für Fahrlässigkeit gehaftet wird. Das Herumwerfen von Wuchtgewichten in einem Kfz-Betrieb sei vielmehr dem persönlich-privaten Bereich zuzuordnen, für den ein Arbeitnehmer in vollem Umfang hafte.
Ein hohes Risiko für den Arbeitnehmer.
Aber welche Grundsätze gelten hier eigentlich?
Das Arbeitsverhältnis ist auf Dauer angelegt. Daher ist stets damit zu rechnen, dass auch dem sorgfältigsten Arbeitnehmer gelegentlich Fehler unterlaufen. Dies hat die Rechtsprechung veranlasst, explizit für das Arbeitsverhältnis Haftungserleichterungen zu entwickeln – in analoger Anwendung des § 254 BGB.
Um die besonderen Verhältnisse im Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen und die Haftungsanteile zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gerechter zu verteilen wird also die Haftung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen des sogenannten innerbetrieblichen Schadensausgleichs aufgeteilt.
Dies erfolgt in Abhängigkeit davon, wie hoch der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist, der den Schaden verursacht hat.
Diese arbeitsrechtliche Haftungsmilderung gilt bewusst nur für Fälle betrieblich veranlasster Tätigkeiten im Arbeitsverhältnis. Eine betrieblich veranlasste Tätigkeit liegt immer dann vor, wenn dem Arbeitnehmer die Tätigkeit ausdrücklich übertragen wurde oder sie im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb erfolgt.
Der innerbetriebliche Schadensausgleich hängt vorwiegend von dem Verschuldensgrad des Arbeitnehmers ab.
Zunächst werden drei Haftungsstufen unterschieden:
-Vorsatz und grob fahrlässiges Handeln: Volle Haftung des Arbeitnehmers
-Mittlere Fahrlässigkeit: Haftungsteilung
-Leichte Fahrlässigkeit: Keine Haftung des Arbeitnehmers
Eine Aufteilung der Haftung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer findet nur im Bereich der mittleren Fahrlässigkeit statt.
Aber was gilt hier?
Für die Bildung einer konkreten, individuellen Haftungsquote werden regelmäßig im Einzelfall weitere Umstände herangezogen.
Zu solchen Umständen zählt beispielsweise, wie gefahrgeneigt eine Tätigkeit ist, da bei einem arbeitstypisch höheren Haftungsrisiko, die Haftungsquote des Arbeitnehmers sinkt. In die Beurteilung fließen auch die Schadenshöhe, die Versicherbarkeit des Risikos für den Arbeitgeber, die Höhe des Arbeitsentgelts („Risikoprämie“) oder die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers, seine Stellung oder sein bisheriger Werdegang im Betrieb, ein.
Bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz trägt der Arbeitnehmer in der Regel den gesamten Schaden allein. Von grober Fahrlässigkeit ist dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ in besonders schwerem Maße verletzt hat. Hier stellen die Gerichte strenge Maßstäbe an.
Von grober Fahrlässigkeit ist beispielsweise auszugehen, wenn der Arbeitnehmer Verhaltensregeln missachtet, die jedem einleuchten müssten, etwa eine rote Ampel missachtet oder Wertgegenstände offen liegen lässt.
Vorsatz ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer den Schaden absichtlich und wissentlich herbeiführt.
Wenn es sich um geringfügige und leicht entschuldbare Pflichtwidrigkeiten handelt, die jedem Arbeitnehmer irgendwann passieren können, handelt es sich um leichte Fahrlässigkeit. Hier haftet der Arbeitnehmer nicht.
Wichtig zu wissen:
Auch im Prozess gelten für den Arbeitnehmer Erleichterungen. Bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung trägt nämlich der geschädigte Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast. Dies gilt auch für die Frage, ob dem Arbeitnehmer ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann und welchen Grad sein Verschulden besitzt. Die Beweislastregel des § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB gilt gemäß § 619 a BGB insoweit nicht.
Und was ist, wenn der Arbeitnehmer Dritte schädigt?
Verursacht der Arbeitnehmer einen Schaden bei Dritten, haftet der Arbeitnehmer grundsätzlich unbeschränkt für die Sach- und Vermögensschäden. Eine Ausnahme gilt wieder für Schäden, die bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit entstanden sind. Der Arbeitnehmer kann hier unter bestimmten Umständen vom Arbeitgeber verlangen, dass dieser einen Teil des Schadens übernimmt. Er hat dem Arbeitgeber gegenüber einen sogenannten Freistellungsanspruch. Wie hoch der Freistellungsanspruch ist, berechnet sich nach den Grundsätzen zum innerbetrieblichen Schadensausgleich. Daraus folgt beispielsweise, dass der Arbeitgeber, handelt der Arbeitnehmer nur leicht fahrlässig, grundsätzlich den gesamten Schaden übernehmen muss. Bei mittlerer Fahrlässigkeit erfolgt eine quotenmäßige Aufteilung des Schadens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.