Die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses

  • 06. Oktober 2017
  • Thomas Klein

Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit im Arbeitsrecht sind sehr häufig Kündigungschutzklagen. Diese richten sich auch schon einmal gegen fristlose Kündigungen des Arbeitgebers. Aber wann und unter welchen Voraussetzungen sind diese zulässig? Ein Überblick...

Fristlose Kündigung


Ein Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden.

Dabei ist im Unterschied zur ordentlichen Kündigung keine Kündigungsfrist einzuhalten. Deshalb wird die außerordentliche Kündigung auch als fristlose Kündigung bezeichnet.

Wo ist dies gesetzlich geregelt?


Die außerordentliche Kündigung findet ihre Grundlage in § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
 

Was bedeutet die fristlose Kündigung?


Eine außerordentliche Kündigung ist eine Kündigung, die das Arbeitsverhältnis vorzeitig und ohne Beachtung der sonst geltenden Kündigungsfristen beendet.

Sie ist in der Regel fristlos, muss es aber nicht sein, weil der Kündigende auch bei einer außerordentlichen Kündigung eine gewisse Frist einräumen kann, worauf er aber besonders hinweisen muss, um den Eindruck zu vermeiden, es handele sich um eine ordentliche Kündigung. Trotzdem wird die außerordentliche Kündigung in der Praxis meist als fristlose Kündigung ausgesprochen.

Wann besteht das Recht zur fristlosen Kündigung?

Das Recht zur außerordentlichen Kündigung besteht sowohl bei unbefristeten als auch bei befristeten Dienst- und Arbeitsverhältnissen, einschließlich der befristeten (Probe-)Arbeitsverhältnisse und auch bei Arbeitsverhältnissen, bei denen die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist.

Das Recht zur außerordentlichen Kündigung kann von keiner der beiden Arbeitsvertragsparteien vertraglich ausgeschlossen werden.

Aus der zwingenden Natur des § 626 BGB folgt auch, dass durch einzel- oder kollektivvertragliche Vereinbarungen das außerordentliche Kündigungsrecht nicht erschwert werden darf. Solche unzulässigen Kündigungserschwerungen können z. B. in der Vereinbarung von Vertragsstrafen, Abfindungen oder Rückzahlungsklauseln liegen. Der Betriebsrat und der Arbeitgeber können allerdings nach § 102 Abs. 6 BetrVG vereinbaren, dass auch außerordentliche Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass die Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

Gibt es Sonderregelungen?

Ja. Sonderregelungen für außerordentliche Kündigungen gibt es bei Berufsausbildungsverhältnissen in § 22 BBiG und im Bereich der Seeschifffahrt in §§ 64 bis 69 SeemG.

Außerdem sind auch bei einer außerordentlichen Kündigung die Anhörungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Für besondere Personengruppen gelten zusätzliche Schutzvorschriften nach dem Mutterschutzgesetz, dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, dem im SGB IX geregelten Schwerbehindertenrecht, dem Pflegezeitgesetz, dem Arbeitsplatzschutzgesetz und dem Zivildienstgesetz. Ferner gelten für Mitglieder der Betriebsverfassungsorgane und für Abgeordnete und sonstige Volksvertreter besondere Schutzbestimmungen.

Ist eine außerordentliche Kündigung unwirksam, kann sie unter Umständen in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden. In Betrieben mit Betriebsrat bedarf die in eine ordentliche Kündigung umgedeutete Kündigung auch der Betriebsratsanhörung zur ordentlichen Kündigung.

Entscheidend für die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ist, dass es nicht um eine Weiterbeschäftigung auf Dauer geht, sondern nur darum, ob bis zum Ende der Kündigungsfristen, also in der Regel nur für wenige Wochen, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Kündigenden nicht mehr zumutbar ist.
 

Was sind die Voraussetzungen im einzelnen?


Nach § 626 BGB, der für alle Arbeitsverhältnisse gilt, kann das Arbeitsverhältnis "von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann".

Darüber hinaus ist eine außerordentliche Kündigung nur wirksam, wenn die Kündigung innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist nach Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erfolgt.

Eine Kündigung, die schon als ordentliche Kündigung nach dem Kündigungsschutz nicht sozial gerechtfertigt ist, kann nie als außerordentliche Kündigung wirksam sein.

Wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine außerordentliche Kündigung vorliegen, sollte die Kündigung zur Wahrung der Ausschlussfrist unverzüglich ausgesprochen werden, wobei in Betrieben mit Betriebsrat der Betriebsrat sowohl zur außerordentlichen als auch zur ordentlichen Kündigung angehört werden sollte.

 
Was ist ein wichtiger Grund?


Für jede außerordentliche Kündigung muss ein "wichtiger Grund" vorliegen. Dabei darf das Verhalten des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers nicht isoliert betrachtet werden, sondern nur im Zusammenhang mit der bisherigen Entwicklung des Arbeitsverhältnisses und den gesamten Umständen des Einzelfalls. Absolute Gründe für eine fristlose Kündigung, wie sie früher im Handelsgesetzbuch und in der Gewerbeordnung vorgesehen waren, gibt es nicht mehr, weil es stets auf die besonderen Umstände des Einzelfalls ankommt.

Wohl aber sind die früheren gesetzlichen Gründe nach wie vor in der Regel geeignet, einen Grund für eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber abzugeben:

Anstellungsbetrug,
dauernde oder anhaltende Arbeitsunfähigkeit
Arbeitsverweigerung,
grobe Verletzung der Treuepflicht,
Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot.


Für die Kündigung durch den Arbeitnehmer waren früher gesetzlich vorgesehen:

Dauernde Unfähigkeit zur Fortsetzung der Arbeit,
Nichtzahlung des Lohns oder Gehalts,
Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen.


Auch schuldlose Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers können ausnahmsweise einen wichtigen Grund darstellen, wenn durch fortlaufende schwerwiegende Vertragspflichtverletzungen der Betriebsfrieden oder sonstige schützenswerte Belange des Arbeitgebers nachhaltig gestört bzw. gefährdet werden.

Auch der dringende Verdacht eines Diebstahls oder der Unterschlagung geringwertiger Gegenstände aus dem Eigentum des Arbeitgebers kann zur außerordentlichen Kündigung berechtigen. Allerdings muss dem Arbeitnehmer zuvor die Möglichkeit gegeben werden, den Verdacht zu entkräften.

Gibt es auch andere Gründe?


Das BAG prüft dabei in ständiger Rechtsprechung, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls "an sich", also generell und objektiv geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden.

Erst nach Bejahung dieser Frage erfolgt in einer zweiten Stufe eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und eine umfassende Interessenabwägung. Hierbei ist zu prüfen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der Kündigungsfrist unter Berücksichtigung der konkreten (arbeitsvertraglich bedeutsamen) Umstände des Einzelfalls und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht.

In Fortführung seiner Rechtsprechung zu sog. Bagatellkündigungen bestätigt das BAG, dass ein vorsätzlicher Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Vertragspflichten auch dann eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann, wenn dies mit einer vergleichsweise geringfügigen wirtschaftlichen Schädigung des Arbeitgebers verbunden ist. Umgekehrt ist aber nicht jede unmittelbar gegen die Vermögensinteressen des Arbeitgebers gerichtete Vertragspflichtverletzung ohne Weiteres ein außerordentlicher Kündigungsgrund.

Das Vorliegen eines wichtigen Grunds ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zu prüfen. Dabei sind alle für das jeweilige Vertragsverhältnis in Betracht kommenden Gesichtspunkte zu bewerten, etwa das gegebene Maß der Beschädigung des Vertrauens, das Interesse an der konkreten Handhabung der Geschäftsanweisungen, das vom Arbeitnehmer in der Zeit seiner unbeanstandeten Beschäftigung erworbene "Vertrauenskapital" ebenso wie die wirtschaftlichen Folgen des Vertrauensverstoßes.

Ggf. kann eine Abmahnung als milderes Mittel zur Wiederherstellung des für die Fortsetzung des Vertrags notwendigen Vertrauens in die Redlichkeit des Arbeitsnehmers ausreichen. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist stets bei der Interessenabwägung zu beachten, nicht immer Unterhaltspflichten. Im Rahmen der Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine außerordentliche Kündigung nur in Betracht kommt, wenn alle anderen, nach den jeweiligen Umständen möglichen und angemesseneren milderen Mittel, wie z. B. Abmahnung, Versetzung, einverständliche Abänderung des Vertrags oder ordentliche Kündigung, das in der bisherigen Form nicht mehr haltbare Arbeitsverhältnis fortzusetzen, erschöpft sind. Die außerordentliche Kündigung muss die unausweichlich letzte Maßnahme (ultima ratio) für den Kündigungsberechtigten sein.

Eine außerordentliche Kündigung ist deshalb insbesondere dann nicht gerechtfertigt, wenn die dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer zumutbare objektive Möglichkeit besteht, dem betroffenen Arbeitnehmer mit seinem Einverständnis oder aufgrund einer Änderungskündigung vorübergehend oder auf Dauer eine andere Aufgabe zuzuweisen, ihn also anderweitig zu beschäftigen, u. U. auch mit schlechteren Arbeitsbedingungen. Die Änderungskündigung hat also Vorrang vor der Beendigungskündigung. Allerdings wird dem Arbeitgeber bei verschuldeten erheblichen Vertragsverletzungen, wie sie bei der außerordentlichen Kündigung häufig vorkommen, eine Weiterbeschäftigung zu anderen Bedingungen nur selten zumutbar sein.

Bei Arbeitnehmern, die aufgrund eines Tarifvertrages oder einer Regelung im Arbeitsvertrag ordentlich nicht kündbar sind, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung auch dann vorliegen, wenn dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Betreffenden zwar für die Dauer einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist zumutbar, die Weiterbeschäftigung darüber hinaus, gegebenenfalls bis zum Pensionsalter, jedoch unzumutbar ist.

Fristlos, d. h. auch ohne eine der fiktiven ordentlichen Kündigung entsprechenden Auslauffrist, kann einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer nur gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber bei einem vergleichbaren kündbaren Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der maßgeblichen ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar wäre.
 
Gibt es Fristen, die einzuhalten sind?


Die außerordentliche Kündigung kann nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB nur innerhalb von 2 Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis erlangt. Grob fahrlässige Unkenntnis ist insoweit ohne Bedeutung. Ist die Frist bereits angelaufen, so kann sie noch gehemmt werden.

Während den Kündigenden vor Fristbeginn grundsätzlich keine Obliegenheit zur Aufklärung des Kündigungssachverhalts treffen, muss er dagegen nach Kenntnis vom Kündigungssachverhalt mit der gebotenen Eile vorgehen. Weiß der Kündigungsberechtigte, dass ein rechtmäßiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegt, so hat er sich innerhalb der Frist zu entscheiden, ob er kündigen will und dementsprechend die Kündigung aussprechen. Die Frist ist daher nur dann gehemmt, wenn der Kündigende ohne Fahrlässigkeit an ihrer Einhaltung gehindert ist. Ist für den Kündigenden beispielsweise die Tatsache einer rechtskräftigen Verurteilung des Kündigungsempfängers Teil des Kündigungsgrunds, so kann nach Umständen des Einzelfalls die Kündigungserklärungsfrist nicht bereits mit Kenntnis von dem Strafbefehl beginnen, sondern erst ab positiver Kenntnis von der Rechtskraft der Verurteilung  Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Kann man sich gegen die Kündigung wehren?

Ja. Innerhalb einer Frist von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung muss Kündigungschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht worden sein.

 

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